Arbeit - Warum unser Glück von ihr abhängt und wie sie uns krank macht

Joachim Bauer ist mit seinem 2013 erschienen Werk wiederkehrend ein guter Wurf gelungen. "An easy read" würde der Amerikaner sagen, weil es Bauer gelingt, in einer klaren Sprache Wissen einem breiten Leserkreis verständlich zu vermitteln, das absolut grundlegend ist und jeden Menschen betrifft, sei es bei der Kindererziehung, im Arbeitsprozess, in Schule oder Studium. Es gehört in die Hand und insbesondere in Kopf und Herz jeder Führungskraft, genauso wie Felix von Cubes "Lust an Leistung", und es lohnt sich, diese Bücher auch ein zweites oder drittes Mal zu lesen. Bei Bauer insbesondere seine Ausführungen zum Motivations- und Empathiesystem. Weshalb? Weil die Erkenntnisse die betriebswirtschaftliche Realität noch nicht erreicht haben. Siehe zum Beispiel die Pressemitteilung von Gallup zum Engagement Index 2016 mit dem Titel «Schlechte Chefs kosten deutsche Volkswirtschaft bis zu 105 Milliarden Euro jährlich». 105 Milliarden Euro entsprechen 3,2 Prozent des deutschen Bruttoinlandsproduktes. Die Zwischentitel der Pressemitteilung lauteten «Mitarbeiter erkennen Fehlentwicklungen – und schweigen, Machtverhältnisse auf dem Arbeitsmarkt haben sich gedreht, Unternehmen setzen an den falschen Hebeln an, Chefs sind sich ihrer Defizite nicht bewusst, Feedback vielfach Fehlanzeige».

Zurück zum Buch: Die Nähe des Autors zum Thema erschliesst sich spätestens beim Erfassen des Untertitels, da kommt der Neurobiologe, Arzt und Psychotherapeut voll zum Zuge. Weit gefehlt, wenn er sich aber darauf beschränkt hätte, das Buch lässt sowohl philosophische, soziologische, wie auch historische Aspekte zum Thema Arbeit und Musse nicht ausser Acht und betrachtet es aus den verschiedensten Blickwinkeln. Eine kleine Kulturgeschichte der Arbeit ist genauso vorhanden, wie die  statistischen Zahlen zu Arbeit und Arbeitszufriedenheit, insbesondere in Deutschland (Kapitel 3: Die Vermessung der Arbeitswelt). Es gelingt Bauer auf diese Weise eine unaufgeregte Darstellung und Standortbestimmung zu einem sehr brisanten Thema.

Stark und für eine Führungskraft sehr hilfreich sind Bauers Ausführungen zu Burn-out und Depression (Kapitel 4: Burn-out, Depression und das gestresste Herz). Dass er es hier nicht nur beim Begrifflichen lässt, sondern der "Entdeckung" des Burn-outs nachgeht und die Entwicklungsgeschichte nachzeichnet, ist sehr informativ, genauso wie auch die Erläuterung der verschiedenen Stressmodelle. Diese bestätigen die in der Betriebswirtschaftslehre seit langem bekannte Forderung nach Kongruenz von Aufgabe, Kompetenz und Verantwortung. Dass Menschen dann zu Spitzenleistungen bereit sind, wenn Flow (Csikszentmihalyi), also Gefordert-Sein (weder Über-, noch Unterforderung), Anerkennung und Zugehörigkeit zu einem Team, einer Unternehmung, gegeben sind, (siehe auch Felix von Cube) untermauert Bauer aus neurobiologischer Sicht sehr eindrücklich: "[...] wo wir für das von uns Geleistete die Anerkennung und Wertschätzung anderer gewinnen, dort wird Arbeit zu einer Resonanzerfahrung. [...] Neurobiologisch werden Resonanzerfahrungen von der Ausschüttung von Gesundheit erhaltenden Botenstoffen begleitet. Wo Resonanzerfahrungen ausbleiben, wird die Arbeit zur Qual" (S. 16). "Voraussetzung für die Aktivierung des Motivationssystems des menschlichen Gehirns und die Freisetzung seiner Botenstoffe ist soziale Akzeptanz. Wer arbeitet, braucht - nicht nur aus humanitären, sondern auch aus neurobiologischen Gründen - am Arbeitsplatz soziale Unterstützung von Kollegen und Vorgesetzten" (S. 181). Und: "In Deutschland fühlen sich 53 Prozent der Beschäftigten von ihren Vorgesetzten nicht unterstützt." (Statistisches Bundesamt, S. 183 und S. 257)

Interessant sind auch seine Ausführungen zu den neuronalen Stresssystemen, dem "klassischen" und dem erst vor Kurzem entdeckten Default Mode Network, dem "Unruhe-Stresssystem", "das dann aktiv wird, wenn eine diffuse, breite und zugleich flache Wachsamkeit gefordert ist" (S. 44) und der Bezug zu Multitasking, ADHS und psychischen Erkrankungen - "Demenzerkrankungen inklusive" (S. 46), sowie zum ziellosen Dauer-Surfen. 

Wer da und dort dem Lesekomfort abträgliche Vertiefungen vermisst, findet ein ausführliches Literaturverzeichnis und Anmerkungen vor, die es dem interessierten Leser erlauben, sich leicht weiter zu vertiefen. 

Ein Muss für jede Führungskraft auch 2018. 

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